Nordschwäbischer Biogastag des AELF Nördlingen-Wertingen
Flexibilisieren statt Herunterfahren
Die Biogasbranche ist verunsichert, ihr fehlte lange der Rückhalt aus der Politik, und bei vielen Anlagen läuft nach 20 Jahren Betriebsdauer die EEG-Vergütung aus. Kein Wunder also, dass mancher Anlagenbetreiber ans Aufhören oder Herunterfahren seiner Anlage denkt. Das sei jedoch für die meisten Biogasanlagen der schlechteste Lösungsansatz, erklärte Hannes Geitner auf dem Nordschwäbischen Biogastag Anfang März 2024 in Mertingen.
Stattdessen plädierte der Fachberater für erneuerbare Energien und Energieeffizienz am AELF Nördlingen-Wertingen für eine Optimierung der Anlage in Richtung Wärmenetz oder einer saisonal oder strommarktgeführten Fahrweise mit oder ohne Flexibilisierung. Die bedarfsgerechte Stromerzeugung schaffe Perspektiven für einen Weiterbetrieb der Anlagen.
„Die landwirtschaftliche Energieproduktion wird noch weiter Fahrt aufnehmen“, eröffnete Dr. Reinhard Bader den Biogastag. Der Leiter des AELF Nördlingen-Wertingen würdigte den Pioniergeist der Landwirte, der nicht nur zur Stromproduktion aus Biomasse, sondern auch zu Wärmenetzen geführt habe, an die heute in Deutschland zehntausende Gebäude angeschlossen seien. Bader schilderte die Biogasanlagen als schnellere und kostengünstigere Alternative zu den Gaskraftwerken. Dafür müsse die Politik jedoch die Rahmenbedingungen der Biogasbranche ändern, insbesondere hinsichtlich der Ausschreibungen. Unter den aktuellen Voraussetzungen seien die Biogasanlagen jedenfalls kaum wirtschaftlich zu betreiben. Das sei, so Bader, umso bedauerlicher, als viele Anlagen an sich eine gute wirtschaftliche Perspektive hätten.
Massiver Einbruch bei Flexibilisierung
Mit Bedauern stellte auch Hannes Geitner fest, dass viele Biogasanlagenbetreiber nach Ablauf der 20-jährigen EEG-Vergütung an das Herunterfahren oder Abschalten ihrer Anlagen denken. Derzeit, so der Energie-Fachberater, bringen es die Biogasanlagen in den Landkreisen Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen, Donau-Ries, Günzburg und Neu-Ulm auf eine installierte elektrische Leistung von insgesamt 257 Megawatt. 56 % der Anlagen seien flexibilisiert. Seit 2021 gebe es allerdings einen massiven Einbruch bei der Flexibilisierung. „Die Biogasbranche ist verunsichert.“ Mit ein Grund: Die Substratkosten wurden deutlich teurer und belaufen sich aktuell auf 9 bis 12 Ct pro Kilowattstunde erzeugter Energie. Teuer sei das Substrat vor allem in Regionen geworden, in denen sich die Anlagenbetreiber gegenseitig Konkurrenz bei der Flächenpacht machen. Da stelle sich die Frage, ob sich Anlagen mit hohen Substratkosten selbst mit einem Kraft-Wärme-Bonus überhaupt noch wirtschaftlich betreiben lassen.
Höchste Substratkosten bei reinen Nawaro-Anlagen
Geringere Substratkosten haben jene Biogasanlagen, die mit dem Gülle-Bonus gefahren werden und sich deshalb auch leichter tun, den Maisdeckel einzuhalten. Die höchsten Substratkosten haben Anlagen, die ausschließlich mit nachwachsenden Rohstoffen gefahren werden. Zu Buche schlagen auch die gestiegenen Kosten für den Anlagenunterhalt. Wird nun eine Anlage deutlich heruntergefahren, dann muss sie weiterhin unterhalten werden, ohne große Mengen Strom oder Wärme zu erzeugen. Das führt, so Geitner, zu einem starken Gewinneinbruch, abhängig vom Umfang der Festmist- oder Gülleverwertung, den Kosten für die nachwachsenden Rohstoffe oder den Einnahmen aus dem Wärmeverkauf. Besonders ausgeprägt sei der Gewinneinbruch bei Anlagen mit Investitionsstau, ohne Wärmeverkauf oder bei reinen Nawaro-Anlagen. Geringer ist der Gewinneinbruch bei flexibilisierten Biogasanlagen.
Bei größeren Reparaturen droht Stilllegung
Geitner erinnerte daran, dass das Herunterfahren einer Biogasanlage oft eine Neuorientierung des gesamten landwirtschaftlichen Betriebs erforderlich machen kann, bei größeren Reparaturen drohe eine Stilllegung der Anlage. „Das Herunterfahren ist also für den meisten Biogasanlagen die schlechteste Lösung“, stellte Geitner fest. Eine gute Lösung sei das Herunterfahren allenfalls dann, wenn kein Hofnachfolger in Sicht ist,, wenn kein Interesse an der Biogasproduktion mehr besteht oder es einen erheblichen Investitionsstau in der Anlage gibt.
Optimierung als Lösungsansatz
Es gebe jedoch durchaus Perspektiven für die Weiterentwicklung von Biogasanlagen nach Auslaufen der 20-jährigen EEG-Vergütung, betonte Geitner. So könnte der Betreiber die Optimierung seiner Anlage durch den Bau oder die Erweiterung eines Wärmenetzes ins Auge fassen, eine saisonal oder strommarktgeführte Fahrweise mit oder ohne Flexibilisierung. Mit Letzterer steige allerdings die Wirtschaftlichkeit, so dass ei-ne Amortisierung der Investitionskosten für die Flexibilisierung innerhalb von vier bis fünf Jahren durchaus möglich sei. Ausschlaggebender Faktor seien hier der Netzanschluss sowie ein Gas- und Wärmespeicher.
Baurecht kann Hindernis für Flexibilisierung sein
Die bedarfsgerechte Stromerzeugung eröffne Perspektiven für den Weiterbetrieb einer Biogasanlage, auch wenn die Flexprämie die Investitionskosten nicht mehr abdeckt. „Entscheidend sind die Mehrerlöse für die bedarfsgerechte Stromeinspeisung.“ Ein Hindernis könnte das Baurecht sein, das die Flexibilisierung stark eingrenzt. Bei einer starken Überbauung falle die Biogasanlage nämlich unter das Bundesimmissionsschutzgesetz.
Privilegierung von neuen Satelliten-Standorten
Für einen Neuanlagenstatus komme beispielsweise eine Güllekleinanlage mit einer Leistung von 150 kW in Frage. Sie erhält wieder für 20 Jahre eine gesicherte Vergütung und damit eine gute Wirtschaftlichkeit. Allerdings sind Mindestinvestitionen erforderlich und der Betreiber ist auf die Verfügbarkeit von ausreichend Gülle angewiesen. Für einen Neuanlagenstatus könnte auch ein neues Satelliten-Blockheizkraftwerk sorgen. Hier gibt es ebenfalls eine gesicherte 20-jährige Vergütung, einen Flexzuschlag über die gesamte Laufzeit und zusätzliche Entwicklungsperspektiven durch die Erschließung eines Wärmenetzes. Neu, so Geitner, sei die Privilegierung von neuen Satelliten-Standorten bei bestehenden bereits privilegierten Biogasanlagen.
Stimmung schlechter als die Lage
Es gibt also durchaus Alternativen zum Herunterfahren einer Biogasanlage nach dem Auslaufen der gesicherten 20-jährigen EEG-Vergütung, schloss Geitner. „Die Stimmung unter den Anlagenbetreibern ist oft schlechter als die tatsächliche Lage.“ Der Fachberater forderte die Betreiber auf, sich nicht entmutigen zu lassen. „Viele Anlagen haben Potenzial, ihr Abschalten wäre einfach nur schade.“ Die Betreiber müssten ihre Chancen analysieren und dann auch nutzen, lautete Geitners Appell.
69 Prozent des Energiebedarfs durch Importe gedeckt
Einen Blick auf die Strom- und Energiemärkte warf Uwe Kretzschmar, Vertriebsberater bei den Stadtwerken Würzburg. Er wies darauf hin, dass sich die Energiekrise nach dem Beginn des Ukrainekriegs und dem Ende der russischen Gaslieferungen wieder entspannt habe. In der Folge seien die Energiepreise gesunken, die Versorgung der deutschen Verbraucher mit Erdgas stabil. Mittlerweile werde der deutsche Energiebedarf zu 56 % aus erneuerbaren Energien gedeckt, in erster Linie durch Windkraft, gefolgt von Sonnenstrom, Biomasse und Wasserkraft.
Bis zum Jahr 2045 will die Bundesregierung für ein treibhausgasneutrales Deutschland sorgen, bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 65 % gesenkt werden. Derzeit würden allerdings noch 69 % des deutschen Energiebedarfs durch Importe gedeckt, sagte Kretzschmar. Der Preisrückgang sei jetzt erst einmal gebremst.
Die Märkte stets im Blick haben
Heiko Götz, stellvertretender Regionalsprecher beim Fachverband Biogas, betreibt in Schaffhausen eine flexibilisierte Biogasanlage. Zur Flexibilisierung gehören auf jeden Fall ein Gas- oder Wärmespeicher, bekräftigte Götz – auch wenn diese mit hohen Investitionskosten verbunden seien. „Es ist schon etwas drin, aber es ist ernüchternd“, fasste Götz seine Erfahrungen mit der bedarfsgerechten Energieproduktion zusammen. An den Wochenenden fährt er seine Anlage auf „Schwachlastniveau“, im Lauf des Sonntags fährt er sie stark hoch, um den hohen Strombedarf am Montag zu nutzen. Für eine flexible Fahrweise müsse er stets die Märkte im Blick haben, sagte Götz. Das gelte nicht nur für den Strommarkt, sondern auch für die Substrate, die passenden BHKW-Wartungen, für das Silomanagement und für die langfristige strategische Betriebsplanung. „Dann ist es machbar, Mehrerlöse zu generieren.“
EU im Biogasbereich progressiver als Bundesregierung
Die aktuellen politischen Rahmenbedingungen und die Perspektiven der Biogasbranche beleuchtete Dr. Stefan Rauh, Geschäftsführer des Fachverbands Biogas. Die EU sei im Biogasbereich deutlich progressiver als die Bundesregierung und setze auf den Ausbau der Produktion, stellte Rauh fest. Eine Rolle spiele dabei die Diversifizierung der Gasversorgung mit Biomethan, grünem Wasserstoff und Biogas unter den Aspekten der Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Wertschöpfung. „Davon könnte sich die Bundesregierung eine Scheibe abschneiden.“ Andererseits wirke die EU-Bürokratie mit ihrem Regularien-Dschungel auch hemmend auf den Biogasausbau.
Flexibilität ist Trumpf
Die RED III-Richtlinie der EU soll für ein Mehr an erneuerbaren Energien sorgen, aber die Biogasförderung sei mit Kriterien der Nachhaltigkeit verknüpft, sprich mit dem Nachweis der Minderung von Treibhausgasemissionen. „Machbar ist dieser Nachweis“, sagte Rauh, „aber er ist sicher kein Zuckerschlecken.“ Die Oktoberausschreibung 2023 sei dreifach überzeichnet gewesen, das heißt: Zwei Drittel der Biogasanlagen kamen nicht zum Zug. Das mangelnde Volumen der Ausschreibung und fehlende Perspektiven hätten die Anlagenbetreiber zum gegenseitigen Unterbieten veranlasst. „Die Märkte sind schwierig, aber Flexibilität ist Trumpf“, bestätigte Rauh.
Diskussion um Biogas ideologisch geprägt
Für 2024 erwartet er aufgrund der Positionierung der Umweltverbände schwierige Verhandlungen mit der Bundesregierung. Die Diskussion sei stark ideologisch geprägt. Immerhin habe Wirtschaftsminister Robert Habeck im vergangenen Jahr einen Zubau von sechs Gigawatt Energie aus Biomasse, davon drei Gigawatt aus Biomethan in Aussicht gestellt. Offenbar habe die Bundesregierung nun endlich erkannt, dass Deutschland verlässliche Kapazitäten für die Energieproduktion benötige. Und genau diese Kapazitäten könnten, so Rauh, verstärkt durch dezentrale Anlagen aufgebracht werden – „wenn man sie denn lässt“. Hier kämen insbesondere die bestehenden Biogasanlagen in Betracht, die zugleich die Wärmewende bedienen könnten. Möglich wäre dies übrigens ohne Ausweitung des Maisanbaus.
Auch künftig Vorrang der Nahrungsmittelproduktion
Die Nationale Biomassestrategie (NABIS) will laut Rauh die Biomasseproduktion stärker mit der Speicher- und Schutzfunktion von Ökosystemen verknüpfen. Vorrang solle jedoch die Erzeugung von Nahrungsmitteln haben. Deshalb sollen die Biomasse-potenziale von Rest- und Abfallstoffen ausgeschöpft werden bei gleichzeitiger Förderung der Biomassenutzung zur Strom- und Wärmeproduktion. Geplant sei auch eine verstärkte Nutzung von Zwischenfrüchten als Substrat. Gleichwohl werde die NABIS biomassekritisch bleiben, befürchtete Rauh. Immerhin werde die Wärme aus Biogasanlagen voll anrechenbar auf kommunale Wärmekonzepte sein. „Die Politik hat endlich die Bedeutung der Biogasanlagen erkannt.“
Weitere Vorträge
In einem weiteren Vortrag befasste sich Rauh mit der Biomethaneinspeisung über Rohgasbündelung und Biogasclustering als Chance für Biogasanlagen. Leon Wagener von der Firma Arcanum Energy sprach über neue Marktperspektiven für Biomethan durch Nachhaltigkeitszertifizierung und Quotenhandel. Den Abschluss des Biogastags bildete ein Vortrag von Christian Quirrenbach von der Firma NQ-Anlagentechnik und von Philipp Heining von der Firma agriKomp über die Technik und Kosten der Biogasaufbereitung und Biomethaneinspeisung.