Rückblick Bäuerinnentag des AELF Nördlingen-Wertingen
Kuhsignale richtig deuten

Milchkühe am FuttertischZoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich

Die Kuh rülpst, furzt und kackt. Aber ist sie deshalb schon ein Klimakiller, wie es Klimaschützer immer wieder behaupten? Auf dem Bäuerinnentag des AELF Nördlingen-Wertingen leugnete Dr. Leonhard Durst nicht, dass Kühe wie alle Wiederkäuer bei der Verdauung Treibhausgase wie Methan, Kohlendioxid und Lachgas ausstoßen. Auf der anderen Seite verwerten Wiederkäuer aber enorme Mengen von Biomasse, die für den Menschen nicht essbar ist. Daraus erzeugen Kühe hochwertige Eiweiße und Nahrungsmittel. "Eine sichere Ernährung der Weltbevölkerung ist ohne Wiederkäuer nicht möglich", betonte der Professor der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.

Begrüßt wurden die rund 60 Bäuerinnen aus den Landkreisen Dillingen und Donau-Ries in Bissingen von Behördenleiter Dr. Reinhard Bader. "Die Bäuerin ist längst nicht mehr nur für das Kälbertränken zuständig", betonte Bader. Wichtige unternehmerische Entscheidungen werden heute von Frauen in der Landwirtschaft getroffen. Umso wichtiger seien auch für Frauen landwirtschaftliche Fortbildungen wie der Bäuerinnentag.

Rinder verwerten Grünland
Weltweit werden derzeit rund 5 Mrd ha Fläche landwirtschaftlich genutzt, erklärte Durst. Davon entfallen 3,2 Mrd ha auf Dauergrünland und Weiden. Von diesen Grünlandflächen lassen sich über die Verwertung durch Rinder Lebensmittel mit bester Proteinqualität wie Fleisch und Milch und mit sehr guten Energie-, Mineralstoff- und Vitamingehalten erzeugen. Außerdem können Wiederkäuer sehr gut faserreiche Nebenprodukte der Lebensmittelproduktion verwerten. Dazu gehören beispielsweise Raps- und Palmkernextraktionsschrote, Kleien, Biertreber oder Schlempen. Die Kehrseite der Medaille: Wiederkäuer produzieren bei der mikrobiellen Umsetzung ihres Futters im Pansen und Dickdarm Kohlendioxid und Methan. Weitere klimaschädliche Emissionen ergeben sich aus der Futterproduktion und Futterernte, der Tierhaltung durch Lüftung, Fütterungstechnik und Melkanlagen, außerdem bei der Produktverwertung durch Transport, Kühlung und Verarbeitung.
Behördenleiter Dr. Reinhard Bader begrüßte die Teilnehmerinnen.Zoombild vorhanden

® Ingrid Rosenbauer

Nicht alle Biomasse ist für den Menschen genießbar
Dem stellte Durst einen weiteren Aspekt gegenüber: Dauergrünland und Futterbau binden Kohlendioxid im Pflanzenaufwuchs, in der Wurzelmasse, in Futterresten und beim Humusaufbau. Auf den Feldern erzeugt die Landwirtschaft neben essbaren Produkten auch viel für den Menschen nicht genießbare Biomasse wie Stroh und Gras, Rübenschnitzel, Kleien, Ölschrote oder Kartoffelschalen. „Pro Kilogramm veganes Lebensmittel werden rund vier Kilogramm nicht essbare Biomasse produziert“, stellte Durst fest. Diese lässt sich wiederum zur Erzeugung hochwertiger Proteine nutzen – vorausgesetzt, sie wird an Nutztiere verfüttert.
Emissionsminderung durch effizientes Wirtschaften
2021 stieß die deutsche Landwirtschaft 61,1 Mio t Kohlendioxid-Äquivalente aus, das entspricht 7 % der gesamten Kohlendioxidemissionen. Davon stammen wiederum 23,4 Mio t Kohlendioxid-Äquivalente in Form von Methan aus der Verdauung von Wiederkäuern. Bis zum Jahr 2030 soll die Landwirtschaft ihren Treibhausgasausstoß auf 56 Mio t senken, so ist es von Bund und EU gewollt. Ein Teil dieser Minderung wird allein schon durch die rückläufigen Rinderbestände erreicht, so Durst. Weitere Einsparmöglichkeiten böte die Steigerung der Effizienz in der Wirtschaftsweise. Als klimafreundliche Energiequellen könnten von landwirtschaftlichen Betrieben Biogas, Photovoltaik oder Hackschnitzel genutzt werden.
„Klimakiller“ Pommesfrites
Über den CO2-Fußabdruck bei Rindern entscheidet auch ihr Leistungsniveau, abhängig von Art und Herkunft des Kraftfutters. Nachdem die Versorgung der Weltbevölkerung mit essbarem Protein zunehmend zum Problem werden könnte, bietet sich dieser „Fußabdruck“ als Vergleichsmaßstab an. Durst zeigte auf, dass es keinen Automatismus „pflanzliche Produktion ist gleich klimafreundlich, tierische Produktion ist gleich klimaschädlich“ gibt. So seien beispielsweise Pommesfrites wahre Klimakiller. Dasselbe gilt für das Einkaufsverhalten vieler Verbraucher: Wer mit dem Pkw nur einmal wöchentlich zum Supermarkt fährt oder heimische saisonale Produkte kauft, hat schon sehr viel für den Klimaschutz getan.
Prof. Dr. Leonhard Durst, Ingrid Rosenbauer und Wolfgang Müller Zoombild vorhanden

© AELF NW

Lebensdauer der Milchkühe erhöhen
Durst wies darauf hin, dass sich Öko und Konventionell hinsichtlich Klimaschutz nicht viel schenken. Durch die faserreiche Fütterung geben Öko-Kühe in der Regel aus ihrer Verdauung mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre ab, konventionelle Kühe verursachen dagegen mehr CO2-Emissionen aufgrund des Einsatzes von Handelsdünger bei der Futtererzeugung. Dem Öko- wie dem konventionellen Landwirt bleiben jedoch mehrere Hebel, mit denen er bei der Treibhausgasemission ansetzen kann, wie Durst erklärte. Dazu gehört beispielsweise die Erhöhung der mittleren Lebensdauer der Kühe von drei auf vier Laktationen, was bei einem Milchviehbestand von 3,9 Mio Stück in Deutschland allein schon eine Reduktion der Methanemissionen um jährlich 917 t bewirken würde. Ebenso könnte die Steigerung der Milchleistung dazu führen, dass mit weniger Tieren die gleiche Menge Milch erzeugt wird. Wer dann noch weniger weibliche Nachzucht aufstellt, kann ein weiteres Scherflein zum Klimaschutz beitragen.
Klimaschutzfaktor Grundfutterqualität
Ein weiterer Faktor im Klimaschutz ist die Grundfutterqualität. Je besser sie ist, desto mehr Trockenmasse nehmen die Kühe auf. Eine bloße Senkung der Grundfutterpartikel dagegen bringt nur wenig bis nichts. Durst warb für einen gezielten Kraftfuttereinsatz und eine Intensivierung der Produktion im physiologischen Bereich unter Vermeidung von nicht physiologischen Kraftfutteranteilen. Darüber hinaus lassen sich im Humus große Mengen an Kohlendioxid fixieren, indem Zwischenfrüchte oder schnell wachsende Gehölze angebaut werden. Gesellt sich dazu ein effizientes Wirtschaften mit kurzen Transportwegen und gut durchdachtem Düngereinsatz, hat der Landwirt ein Weiteres für den Klimaschutz getan.
Zertifizierter Kuhsignal-Trainer
Von einem zertifizierten Kuhsignale-Trainer erfuhren die Bäuerinnen, was sie aus dem Verhalten ihrer Kühe „lesen“ können. Bei den meisten dieser „Kuhsignale“ handelt es sich um ganz banale Situationen im Stall oder auf der Weide, aus denen sich jedoch sehr wichtige Erkenntnisse gewinnen lassen, erklärte Wolfgang Müller, Koordinator Rinderhaltung der Bayerischen Staatsgüter. Er erinnerte die Bäuerinnen daran, dass der Kuhkomfort einen wesentlichen Einfluss auf die Gesamtleistung ihrer Kühe hat.
Spielraum für natürliches Verhalten
Optimal für die Kuh wäre die freie Entfaltung ihrer natürlichen Verhaltensweisen auf der Weide, aber es können nun nicht einmal alle Kühe auf der Weide stehen. Also gilt es ihnen auch im Stall möglichst viel Spielraum für ihr natürliches Verhalten zu geben. Das fange schon mit dem Aufstehen nach dem Liegen an, so Müller. Immer noch behinderten in manchen Ställen Rohre oder Wände im Kopfschwungbereich ein komfortables Aufstehen. „Auf der Weide steht eine gesunde Kuh innerhalb von rund vier Sekunden auf und wie lange brauchen Ihre Kühe zum Aufstehen im Stall?“, sagte Müller. Die eigene Beobachtung lasse erkennen, was nicht optimal ist. „Die Aufstallung muss, teilweise auch bei Neubauten, an die Herde angepasst werden.“ Müller ermunterte die Bäuerinnen, ihr Augenmerk auch auf den Komfort der Trockensteher und beim Abkalben zu richten. Unter einer stressfreien Abkalbelinie versteht der Kuhsignal-Trainer einen Tiefstreubereich für Tiere mit erhöhtem Betreuungsbedarf in unmittelbarer Nähe zur Hauptherde und möglichst mit direktem Zugang zum Melkstand.
Knuddelbox für Kälber
Müller plädierte in der Abkalbebucht für eine „Knuddelbox“ für Kälber, entweder gekauft oder selbst gebaut. In der Box kann die Kuh ihr Kalb abschlecken, was das Atemzentrum aktiviert und den Milchfluss ankurbelt. Außerdem beschleunigt sich der Abgang der Nachgeburt und weniger Stresshormone werden ausgeschüttet. In der Knuddelbox ist die Kuh fixiert, die Arbeitssicherheit der Betreuungsperson erhöht sich. Und weil das Futter in der Box nach Kalb riecht, frisst es die Kuh schneller und besser. In der Box lässt sich die Kuh besser und ruhiger melken, die Qualität ihrer Biestmilch ist höher als bei Stress durch Ortswechsel zum Melken. Das Kalb wiederum wird in der Knuddelbox abseits vom Kot gehalten, es hat einen trockenen und zugfreien Platz.
Mehr Licht, Luft und Platz
Einen großen Mehrwert im Stall sieht Müller durch das Entfernen unnötiger Wände: mehr Licht im Stall, mehr frische Luft kommt herein, mehr Platz für den Kopfschwung, mehr Überblick für die Kühe und mehr Einsicht in den Stall. Abschließend forderte Müller die Bäuerinnen auf, Hitzestress in ihren Milchviehställen unbedingt zu vermeiden. Bei einer Kuh mit einer Tagesleistung von 40 kg Milch steige die Körpertemperatur bereits bei einer Umgebungstemperatur von 7 bis 8°C erkennbar an. Die Kühe beginnen dann zusätzliche Energie für die Thermoregulation aufzuwenden. „Das stellt zwar noch keine dramatische Belastung dar“, sagte Müller, „Aber es ist der richtige Zeitpunkt, um einzugreifen.“ Deshalb forderte er die Ventilatoren ab 10°C einzuschalten.