Nachhaltig mit Kleidungsstücken umgehen
Alles ist besser als Wegwerfen

Neues schaffen aus StoffrestenZoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich/AELF

Durchschnittlich 60 neue Kleidungsstücke legt sich jeder Dillinger Landkreisbürger jährlich zu und ebenso viele Kleidungsstücke entsorgt er auch wieder. Dabei wird gerne vergessen, dass jede Hose und jedes Hemd nicht nur aus einem Stück Stoff bestehen. In diesem Stoff stecken auch Erdöl, Wasser, Chemikalien, Kohlendioxid und die Arbeitsleistung vieler Menschen.

Die angehenden Hauswirtschafterinnen an der staatlichen Landwirtschaftsschule in Wertingen zeigen Alternativen auf, mit denen einer Wiederverwertung der Vorzug vor dem Mülleimer gegeben wird. "Damit lässt sich auch der weihnachtliche Konsumrausch in nachhaltigere Bahnen lenken", betont Dr. Cornelia Stadlmayr vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Nördlingen-Wertingen.

Die von Cornelia Stadlmayr präsentierte Statistik spricht Bände:

  • Jeder Deutsche im Alter von 18 bis 69 Jahren besitzt heute im Schnitt 95 Kleidungsstücke in Form von Oberbekleidung und Schuhen.
  • Zwischen den Jahren 2000 und 2015 hat sich die Anzahl der Kleidungskäufe weltweit von 50 auf 100 Milliarden Kleidungsstücke verdoppelt.
  • Allein in Deutschland werden jährlich rund 70 Milliarden Euro für Kleidung ausgegeben – das entspricht rund 820 Euro pro Person.
  • Und damit nicht genug. Der World Wide Fund For Nature (WWF) prognostiziert einen weiteren Anstieg des Kleidungskonsums von 62 Millionen Tonnen im Jahr 2015 auf 102 Millionen Tonnen im Jahr 2030.
Müllberge durch "Fast Fashion"
Als Ursache für diese Tendenz führt Stadlmayr die sogenannte "Fast Fashion" an. "Ständig bringen die großen Mode-Labels neue Modetrends heraus, die dann wieder neue Kaufwünsche wecken." Die günstigen Preise trügen dazu bei, dass sich fast jeder in Deutschland diese Kleidung leisten könne und mehr kaufe, als er tragen kann. "Damit entsteht eine Kultur des Wegwerfens." In der Bundesrepublik werden, so #Stadlmayr, jährlich 1,3 Millionen Kleidungsstücke entsorgt. "Drei Viertel davon landen im Müll oder werden verbrannt."
Kleiderkonsum verbraucht Ressourcen
Stadlmayr erinnert daran, dass die Produktion von Kleidungsstücken jede Menge Ressourcen verbraucht, angefangen von der Energie über Wasser und Erdöl bis hin zur menschlichen Arbeitskraft. "Unser unbedachter Kleidungskonsum trägt zur Umweltverschmutzung, zum Klimawandel und zur Ausbeutung von Menschen in ärmeren Produktionsländern bei."

Laut Stadlmayr ...

  • verbraucht die Erzeugung eines einzigen Kilogramms Baumwolle bis zu 20.000 Liter Wasser.
  • werden weitere 60 Liter Wasser benötigt, um ein Kilogramm Garn zu färben – und am Ende ist das Wasser stark chemisch verunreinigt.
  • entstehen 20 Prozent des industriellen Abwassers bei der Veredelung von Textilien, bei der rund 6.500 verschiedene Chemikalien eingesetzt werden.
Auch ein Kleidungsstücke ist etwas wert
Allein die rund 100.000 Einwohner des Landkreises Dillingen verursachen jährlich 30 Millionen Kilogramm Kohlendioxid-Emissionen durch Kleidung und Textilien. Für die Produktion von synthetischen Textilfasern werden weltweit jährlich rund 100 Millionen Tonnen Erdöl benötigt.

"Wenn ich Klima und Umwelt schützen will, dann muss ich dafür sorgen, dass weniger Kleidung produziert wird. Das heißt, ich kaufe weniger Kleidung und diese Kleidung ist mir etwas wert."
Dr. Cornelia Stadlmayr

Alternativen zum Mülleimer
Genau diese Einstellung ist es, die Lehrkräfte und Studierende der hauswirtschaftlichen Teilzeitschule in Wertingen zu immer neuen Ideen antreibt. Gerade jetzt, kurz vor Weihnachten, entwickeln sie Alternativen zum Wegwerfen, auch im Bereich der Textilien. Fachlehrerin Elisabeth Decker und Fachlehreranwärterin Leonie Schoplocher zeigen, was möglich ist, wenn Kleidungsstücke kaputt gegangen sind, wenn sie nicht mehr gefallen, nicht mehr in Mode sind oder einfach nur zu viel Platz im Kleiderschrank wegnehmen.
Eine Studierende näht einen Tischläufer.Zoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich/AELF

Tischläufer aus Stoffresten
Ende November 2023 sitzen zehn Frauen in einem Unterrichtsraum der Landwirtschaftsschule vor ihren Nähmaschinen. Das Anfertigen von Tischläufern steht auf dem Unterrichtsplan. Schoplocher erklärt den Studierenden, worauf sie im Sinn der Nachhaltigkeit schon bei der Materialauswahl achten müssen: Ist der Tischläufer für den Alltag, für ein Fest oder eine Jahreszeit bestimmt? Ist die Farbe an Geschirr und Raum angepasst? Handelt es sich um Baumwolle, Halbleinen oder Mischgewebe? Welche Pflegeeigenschaften hat der Stoff? Dann geht es auch schon an das Nähen der Saumecken für die Tischläufer.

Vor Franziska Stegmiller aus Villenbach liegen ältere Vorhänge, eine zu lange Tischdecke und ein altes Leinentuch. Aus einem dieser Stoffe fertigt die angehende Hauswirtschafterin einen Tischläufer. Schoplocher macht sie auf die Qualitätsmerkmale aufmerksam, die der Saum haben sollte: einheitlich breit, knappkantig und gerade, rechtwinklig, flach, geschlossen und spitz.

Selber nähen - dann wird es so, wie ich es will
Franziska Stegmiller wirft ihre Nähmaschine an. Und das ist der Punkt, wie Elisabeth Decker erklärt: "Wenn ich selber nähe, dann wird die Textilie so, wie ich sie haben will, und die Saumecken werden nicht so schmal wie bei industriell gefertigter Ware." Bei größeren Teilen und festeren Stoffen wirkt ein breiter Saum nämlich besser, weiß die Fachlehrerin. Und bei Tischdecken gilt es beim Nähen zu berücksichtigen, wie weit sie an der Tischkante überhängen sollen.
Weihnachtsfest der Nachhaltigkeit
"Nicht jeder will oder kann mit der Nähmaschine aus alten Stoffen neue Textilien nähen", zeigt Cornelia Stadlmayr Verständnis. "Aber es gibt ja auch noch andere Alternativen zum Wegwerfen." Damit meint sie beispielsweise den Verkauf von Kleidung auf dem Kleiderflohmarkt oder die Weitergabe an ein Sozial- oder Second-Hand-Kaufhaus. "Und wenn mir ein Kleidungsstück nicht mehr passt, kann ich es Freunden und Bekannten schenken." Außerdem gebe es Tauschbörsen für Kleidung und Second-Hand-Portale im Internet.

"All das ist besser als Wegwerfen, und so kann ein Weihnachtsfest mit neuer Kleidung unter dem Christbaum auch ein Fest der Nachhaltigkeit werden."
Dr. Cornelia Stadlmayr