Wissens- und Erfahrungsaustausch auf dem Schwäbischen Schweinemästertag des AELF Nördlingen-Wertingen
Wo ein Markt ist, lässt sich auch Geld verdienen

Dr. Reinhard Bader, Christina Mack, Andreas Rauch und Bernhard LinderZoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich/AELF

"Wir hatten schon schlechtere Zeiten", bilanzierte Stefan Müller den aktuellen Schweinemarkt.

Auf dem Schwäbischen Schweinemästertag des AELF Nördlingen-Wertingen prognostizierte der Geschäftsführer der Müller Fleisch GmbH zumindest mittelfristig einen stabilen Schweinebestand in Deutschland. Und das, obwohl die Nachfrage nach Schweinefleisch im vergangenen Jahr erneut um 6,6 % zurückgegangen ist. Umso erstaunlicher war es für manchen Mäster, dass die Preise für Schweinefleisch an der Ladentheke um 8,6 % zulegen konnten. Hier machte sich offenbar das knappe Angebot bemerkbar.

Der Leiter des AELF Nördlingen-Wertingen, Dr. Reinhard Bader, eröffnete den Schweinemästertag mit einem Hinweis auf die schlechte Stimmung unter den Landwirten, die sich in zahlreichen Demonstrationen entladen hatte. Bei den Bauernprotesten gehe es nicht nur um die Agrardieselbesteuerung, sondern vor allem auch um die ständig schärferen Tierschutzauflagen, sagte Bader. Ohne Tierhaltung würde jedoch auch Schwaben vor einem Ernährungsproblem stehen. Die Bevölkerung sei nämlich im Gemüsebereich schon jetzt zu zwei Dritteln auf Importe angewiesen, überdies liefere Fleisch wichtige Nährstoffe für den Menschen. Bader erinnerte daran, dass es auch in der schwäbischen Heimat jede Menge Biomasse gebe, die nur von Tieren verwertet werden kann.

Ohne Tierhaltung keine gute Fruchtfolge

Zudem sei für eine nachhaltige Landwirtschaft eine gute Fruchtfolge unabdingbar, die sich ohne Tierhaltung nicht gewährleisten lasse. Allein schon für den Humusaufbau werde organischer Dünger aus der Tierhaltung benötigt. Bader zufolge stammt ein großer Teil der Wertschöpfung in der Landwirtschaft aus der Tierhaltung, an der wiederum zahlreiche Arbeitsplätze hängen. Deshalb gelte es alles daran zu setzen, dass auch die Schweinehaltung eine Zukunft hat. Stand bei ihr vor 40 Jahren noch die Produktionstechnik im Vordergrund, so seien die Ansprüche an die Schweinehalter heute wesentlich vielfältiger. Bader verwies hier insbesondere auf den Tierschutz, die Vorgaben zur Düngung und den Immissionsschutz. Trotz allem machte der AELF-Chef den Schweinemästern Mut: „Der Markt ist da, und wo ein Markt ist, lässt sich auch Geld verdienen.“

Genomische Zuchtwertschätzung seit 2016

Landwirte auf dem SchweinemästertagZoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich/AELF

Nach einem Grußwort des Vorsitzenden des Fleischerzeugerrings Wertingen, Michael Bissinger, sprach Dr. Rudolf Eisenreich, Zuchtleiter Vaterrassen am LfL-Institut für Tierzucht, über den Einfluss der Genetik auf die Leistungen in der Schweinemast. Entscheidend für diese sei die Selektion der Eber nach Verhalten, Anomalien, Fitness, Resistenzen und Entzündungssyndromen. Zusammenfassen lassen sich diese Erzeugungs- und Qualitätsparameter unter dem Begriff der Tiergesundheit, so Eisenreich. Für eine zuverlässige Erhebung der Parameter sei die Nachkommenschaftsprüfung, wie sie in den Prüfstationen Grub und Schwarzenau durchgeführt wird, unerlässlich. Seit 2016 ermöglicht die genomische Zuchtwertschätzung eine genauere Selektion der Eber und damit einen höheren Zuchtfortschritt.

Produktionswert hängt auch vom Eber ab

Dr. Rudolf EisenreichZoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich/AELF

Für den Produktionswert in der Schweinemast ist Eisenreich zufolge die Verwendung des passenden Ebers entscheidend. Er setzt sich zusammen aus dem Futteraufwand, dem Muskelfleischanteil, der Rückenmuskelfläche und dem Zuchtwert. Der Produktionswert eines Ebers beziffert den zusätzlichen Gewinn pro Mastschwein in Euro, der bei der Verwendung dieses Ebers im Vergleich zu einem durchschnittlichen Eber erzielt wird. Der Wert kann pro Mastschwein zwischen minus 3,50 und plus 5,75 € differieren. Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, dass auch die Sauengenetik einen Einfluss auf die Schlachtleistung hat.
Relax-, Turbo- und Goliath-Eber
In Bayern stehen Pietrain-Eber unter verschiedenen Labels für die Zucht bereit: entspannte Relax-Eber, fleischbetonte Turbo- und Goliath-Eber. „Unsere Empfehlung geht klar in Richtung bayerischer Turbo-Eber“, sagte Eisenreich. Er habe nun einmal die beste Fleischleistung und Fleischqualität. Der Turbo-Eber schneide auch mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit am besten ab. Freilich gelte es bei der Zucht und der Mast nicht nur die Genetik, sondern auch die Anforderungen der Vermarkter und Schlachthöfe zu beachten.

Bedürfnisse je nach Maststufe unterschiedlich

Dr. Wolfgang PreißingerZoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich/AELF

Dr. Wolfgang Preißinger vom LfL-Institut für Tierernährung befasste sich mit der bedarfsgerechten Fütterung. Ausrichten müsse sich diese danach, ob frohwüchsige, fleischige oder extrem fleischige Schweine, je nach Kreuzung mit einem Duroc- oder Pietrain-Eber, gewünscht werden. Je nach Mastgewicht oder Maststufe haben die Tiere unterschiedliche Bedürfnisse, betonte Preißinger. Die Fütterung müsse deshalb in ihrem Nährstoffangebot angepasst und zugleich wirtschaftlich sein, dazu verbraucherorientiert, umwelt- und ressourcenschonend, möglichst regional und gentechnikfrei. Maßgeblichen Einfluss auf die Futterverwertung hat die Genetik der Schweine.
Überversorgung mit Rohprotein vermeiden
Preißinger warnte vor einer Überversorgung mit Rohprotein. Weniger Stickstoff bedeute nämlich mehr Tierwohl, weniger Gülle und eventuell auch geringere Futterkosten. Ebenfalls bedeutsam für das Tierwohl ist ein bedarfsgerechtes Angebot an Aminosäuren und faserreicher Nahrung. Der Mäster sollte regelmäßig die Futterstruktur und Partikelgrößenverteilung kontrollieren.

Neues Tierhaltungskennzeichnungsgesetz

Peter RahbauerZoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich/AELF

„Das neue Tierhaltungskennzeichnungsgesetz ist nicht mit neuen Anforderungen an das Tierwohl verbunden“, beruhigte Peter Rahbauer vom bayerischen Landwirtschaftsministerium die Schweinemäster. Es verpflichte die Tierhalter lediglich, bis zum 31. Juli 2024 die Haltungsform ihrer Tiere mitzuteilen, also ob Stall, Stall mit mehr Platz, Frischluftstall, Auslauf/Weide oder Bio. Das Gesetz betrifft vorerst nur Mastschweine im Alter von zehn Wochen bis zur Schlachtung. Die Haltungsform muss nachgewiesen oder durch ein Öko-Zertifikat belegt werden. Außerdem ist eine Dokumentation erforderlich. Kontrollen erfolgen anlassbezogen und sind im Wesentlichen auf die Prüfung der Dokumentation beschränkt.
Mehr als die Hälfte der Mastbetriebe noch in Haltungsform 1
Laut Rahbauer sind in Bayern derzeit 57,6 % der Schweinemastbetriebe in der Haltungsformstufe 1, 39 % in der Stufe 2, 2,4 % in der Stufe 3 und 0,7 % in Stufe 4 eingeordnet. Bereits aufgelegt ist ein Förderprogramm des Bundes für den Umbau der Schweinehaltung zur Umstellung auf eine höhere Haltungsformstufe. Dafür stehen 2024 insgesamt 150 Mio € bereit, es gibt maximal 1,95 Mio € Zuschuss pro Betrieb. Gefördert werden auch die laufenden Mehraufwendungen für die höheren Haltungsformen, allerdings nur bei Verzicht auf das Kupieren der Ringelschwänze.

Produktion und Verbrauch ausgeglichen

Stefan MüllerZoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich/AELF

Beschlossen wurde der Schweinemästertag in Gottmannshofen mit einem Marktausblick von Stefan Müller. Der Müller Fleisch-Geschäftsführer bezifferte den Schweinebestand in Bayern und Baden-Württemberg auf insgesamt 3,71 Mio Tiere. Diese bilden den Pool, aus dem die Müller Fleisch überwiegend schöpft. Das Unternehmen liegt strategisch günstig in Ulm, also genau an der Grenze zwischen Bayern und Baden-Württemberg. Weltweit halten sich die Schweineproduktion und der Verbrauch mit jeweils rund 122 Mio t die Waage.
Regionale Wertschöpfungskreisläufe
Müller gab ein Ziel für sein Schlachtunternehmen aus: „Wir wollen nachhaltige Produktionsketten mit regionalen Wertschöpfungskreisläufen bis zur Ferkelerzeugung. Und wir wollen ein gutes Image für unsere Produkte und unsere Produzenten.“ An Herausforderungen listete der Geschäftsführer den Verzicht auf Import-Soja auf, ferner die Nachhaltigkeit, die regionale Erzeugung, die Haltungsformstufen, Fütterung, Genetik, Bio, den EU-Markt, die Gastronomie, Lebensmitteleinzelhandel und Discounter, dazu die langfristige Absicherung von Investitionen, die Preissensibilität der Verbraucher und die Zielsetzungen der Politik. Die Investitionen in höhere Haltungsformen müsse der Markt bezahlen, so Müller. Für den Mäster stelle sich wiederum die Frage: Welches Schwein für welchen Kunden?